Begrüßung zum dritten Leipziger
Menschenrechtspreis
Von Solveig Prass
Sehr verehrter Herr Minister Alain Vivien,
Sehr verehrte Madam Vivien-Casano,
Sehr verehrter Herr Minister Beckstein,
Sehr geehrte Damen und Herren,
besonders möchte ich an dieser Stelle Herrn Graham
Berry,
der aus den USA zur Preisverleihung gekommen ist, begrüßen. Er
war
für viele Scientologyopfer Rechtsanwalt und wurde selbst zum Ziel von
existenzvernichtenden
Scientology-Angriffen.
Auch möchte ich ganz ausdrücklich unser
Komiteemitglied
Gerry Armstrong aus Kanada begrüßen. Er ist von Scientology
frisch
verklagt auf 10 Millionen Dollar - Grund: Man will ihn mundtot machen. Er
soll
nicht weiter über seine Erfahrungen mit Scientology berichten.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde,
ich begrüße Sie in Leipzig im Namen des
„Europäisch-Amerikanischen
Bürgerkomitees Komitees für Menschenrechte und Religionsfreiheit
in
den USA“, das sie zu dieser Preisverleihung eingeladen hat
Zugleich begrüße ich Sie aber auch im Namen
aller
Leipziger Bürger, die 1989 ein totalitäres Politsystem zum
Einsturz
brachten und die sich auch heute gegen jede Art von
Totalitarismus
stellen..
Deshalb begrüße ich Sie heute auch im Namen des
Pfarrers
der Nikolaikirche,
Christian
Führer. Er ist der Pfarrer der Kirche, deren Bild unseren Preis Jahr
für
Jahr schmückt. Denn die Nikolaikirche von Pfarrer Christian Fü
hrer
ist nicht nur ein Leipziger Wahrzeichen: Sie ist weltweit ein Symbol
geworden
für Demokratie und Menschenrechte.
Eigentlich war er als Redner zur Begrüßung
angefragt
– denn wer sonst als er, der mit den
Friedensgebeten
in der Nikolaikirche ein totalitäres System zum wanken brachte,
Menschen
Mut gab sich gegen Totalitarismus zu wehren und die friedliche
Demonstration
1989 mit anführte, könnte im Namen der Bü rger der
Stadt
Leipzig
sprechen. Er ist er in diesem Jahr wegen einer Hochzeit in der eigenen
Familie
verhindert, und so darf ich Sie heute herzlich grü ßen von
ihm.
Ich freue mich, dass dieser Menschenrechtspreis in meiner
Heimatstadt
an einen französischen Bürger vergeben wird. Denn die Bü
rger
der
Stadt Leipzig sind die Ersten unter dem DDR-Regime gewesen, welche die
Erfüllung
der Menschenrechte und eine tatsächliche Demokratie forderten und mit
einer
friedlichen Revolution erzwangen. Leipzig zeigt
Courage,
zeigt Gesicht gegen antidemokratische und totalitä re Gruppen - wie
erst
vor kurzem, als Nazistiefel durch unsere schöne Stadt marschieren
wollten.
Ich freue mich sehr, sehr verehrter Herr Minister Vivien, dass Sie unsere
Ehrung
bewusst in diesem politischen Kontext annehmen. Ihr Engagement zeigt, dass
die
Frage des neuen Totalitarismus keine Frage der Parteipolitik sein muss und
sein
darf. Wir müssen und wir können bei der Verteidigung unserer
gemeinsamen
Werte auf europäischer und internationaler Ebene zusammenarbeiten.
Auch dafür
wollen wir Ihnen mit unserem Menschenrechtspreis danken.
Sehr verehrter Herr Staatsminister Dr. Beckstein wir
freuen uns,
dass Sie als einer der bekanntesten CSU- Politiker bereit sind, die
Laudatio für
einen französischen, sozialistischen Politiker zu übernehmen.
Sie
haben
sich freundlicherweise von Herrn Minister Dr. Blüm, unserem
vorjä
hrigen
Preisträger, dazu gewinnen lassen, Herrn Minister Vivien heute die
Ehre zu
geben.
Genau wie Herr Minister Vivien arbeiten Sie für die
Werte
und Würde der Menschen partei- und länderübergreifend. Auch
Ihnen
ist ja das Problem Scientology genauso bekannt wie Herrn Minister Vivien.
Ganz
Ähnlich wie Minister Vivien für Frankreich eine gesetzliche
Regelung
zum Schutz vor Psychomanipulation geschaffen hat, haben sie schon 1997 in
einem
Beitrag in der Fachzeitschrift
"Berliner
Dialog" hervorgehoben, dass wir eine gesetzliche Regelung für
Dienstleistungen
auf dem Gebiet der gewerblichen Lebenshilfe benötigen.
Sie schrieben in diesem Beitrag 1997 [BD 2/97, S. 27]:
"Wie das Beispiel Scientology zeigt, ist es
notwendig,
die Hilfesuchenden durch entsprechende gesetzliche Regelungen vor
Manipulation,
Missachtung ihres Selbstbestimmungsrechts und vor finanzieller Ausbeutung
schützen."
Staatlicher Schutz und Hilfe sowie gesetzliche Regelungen
sind ein
wichtiger Teil, aber die Herausforderungen sind noch
grundsätzlicher.
Wir wollen die Freiheit des Einzelnen, aber auch die
Gesellschaft
im Ganzen vor Gefahren eines neuen Totalitarismus schützen, der
diesmal nicht
politisch, sonder scheinbar religiös daherkommt. Wir freuen uns
ü
ber
jeden engagierten Politiker wie sie Beide, meine Herren, sowie über
jede
Bürgerin und jeden Bürger, der in dieser Auseinandersetzung
Flagge zeigt.
Die Bürger der Stadt Leipzig sind, wie die groß
e
Mehrheit in Europa und Amerika tolerant. Tolerant gegenüber den
verschiedensten
Religionen und politischen Strömungen – aber wir alle horchen auf, ja
wir
sind alarmiert, wenn Intoleranz und Totalitarismus von politischen
Gruppen,
Sekten
oder Kulten als Ziele proklamiert werden.
Wir wissen heute, dass es tatsächlich neuartige
totalitäre,
menschenverachtende Systeme wie die Scientology-Organisation gibt und
haben
deshalb
eine Hochachtung vor jedem Menschen, der diesen entschieden entgegen
tritt.
Und es ist nicht einfach, der Scientology-Organisation
entgegen
zu treten.
Sie Herr Minister Dr. Beckstein schrieben damals:
"Kritiker werden von der Organisation als
unterdrückerische,
antisoziale und geisteskranke Personen bezeichnet, Kriminellen
gleichgestellt,
verfolgt und bedroht."
Die Bürgerinnen und Bürger in Europa verlangen auch
nach
Politikern, die sich nicht hinter ihrem Amt verstecken – sondern
Zivilcourage
beweisen. Dafür bekunden wir ihnen beiden unseren größten
Respekt.
Wer den Willen, den Mut und die Toleranz hat, in einer
Demokratie
mit Rechten für alle Menschen zu leben – der sollte auch den Mut
haben, gegen
Intoleranz, Verachtung der Menschenwürde und Totalitarismus Gesicht
zu
zeigen,
Courage zu beweisen.
Das ist eine Lehre, die uns hier in Leipzig, hier im
unmittelbaren
Umkreis der Nikolai-Kirche, sehr präsent ist.
Ich bin stolz das der Menschenrechtspreis des Europä
isch
- Amerikanischen Bürgerkomitees zur Wahrung der Menschenrechte und
der
Religionsfreiheit
in den USA heute hier in dieser Stadt verliehen wird.
Eine ganz besondere Freude für das Komitee und uns
alle
hier ist es, dass gerade rechtzeitig zu unserem Leipziger Festakt, am
Donnerstag,
den 9.Mai 2002 nach sage und schreibe 22 Jahren gerichtlicher
Auseinandersetzung
in Kalifornien Lawrence (Larry)
Wollersheim
endlich seinen Schadensersatzprozess gewonnen hat.
Larry hatte Scientology 1980 verklagt, wegen psychischer
Manipulation,
die ihn fast in den Selbstmord getrieben hätte. Obwohl Larry die
Prozesse
bis zum obersten Gerichtshof gewann, versuchte Scientology immer wieder
mit
neuen
Prozessen und Tricks, ihm den Sieg zu stehlen.
Vorgestern
nun
endlich lieferten die Scientology-Anwälte einen Scheck über 8,7
Millionen
Dollar ab, um weitere Hearings und Zeugenaussagen zu verhindern.
Unsere Arbeit zum Thema Sekten, Kulte, Psychogruppen und
totalitäre
Systeme lässt aber nicht diejenigen vergessen, die bereits Opfer der
Rücksichtslosigkeit
der Kulte geworden sind.
- Wir denken in dieser Stunde an die Menschen, die von
Psychokulten
gequält und ausgepresst werden.
- Wir denken an die Menschen, die durch Psychokulte
beleidigt,
bedrückt und erpresst werden.
- Wir denken an die Menschen, die durch Psychokulte zu
Opfern
des systematischen Rufmordes werden und mundtot gemacht werden.
Heute, an diesem Tag wäre der Bruder von Frau Wenzelburger-Mack, der Vorsitzenden
der
Eltern- und Betroffeneninitiative in Baden-Württemberg, mit der
wir
freundschaftlich verbunden sind, 54 Jahre alt geworden. Er war Mitglied
bei
Scientology
und wusste keinen anderen Weg des Ausstiegs, als den Freitod zu
wählen.
Stellvertretend für viele andere Opfer erinnere ich auch
- an die 17 Tage langen Qualen der anschließend
verstorbenen
Amerikanerin Lisa McPherson,
- an den Tod von Konrad Aigner und den
finanzielle
Ruin seiner Familie,
- an den tragischen Tod des Franzosen Patrice Vic.
Ich bitte Sie, für diese und allen anderen
ungenannten
Opfer des modernen Totalitarismus sich für eine Minute des stillen
Gedenkens
von den Plätzen zu erheben.
[Gedenkminute]
Ich danke Ihnen.
Ich bedanke mich noch einmal für Ihr Engagement, Ihre
Unterstützung
und Ihr Kommen und heiße Sie in Leipzig herzlich willkommen.
|